Positiv denken reicht nicht – mit mentalem Kontrastieren Ziele erreichen

Wir alle kennen das: Wir wünschen uns mehr Fokus, bessere Ergebnisse im Job oder einfach mehr Motivation, um endlich das Projekt anzupacken, das seit Wochen auf dem Schreibtisch liegt. Positive Gedanken sollen helfen – das haben wir oft gehört. Doch was, wenn das nicht reicht?

Hier kommt das mentale Kontrastieren ins Spiel – eine wissenschaftlich fundierte Methode, die zeigt, warum es nicht genügt, sich nur in Gedanken an den Gipfel zu träumen, ohne den steilen Weg dorthin zu betrachten.

Was ist mentales Kontrastieren?

Mentales Kontrastieren ist eine von der Psychologin Gabriele Oettingen entwickelte Technik, die positives Denken mit einer realistischen Einschätzung der Hürden verbindet. Der Kern: Man stellt sich zuerst den besten Ausgang eines Wunsches vor, dann aber ganz bewusst die Hindernisse, die zwischen einem selbst und diesem Ziel stehen.

Beispiel: Du wünschst dir, deine E-Mails endlich nicht mehr prokrastinierend am Feierabend zu beantworten. Du stellst dir vor, wie entspannt dein Feierabend wäre, wenn dein Postfach leer ist. Danach denkst du über das nach, was dich im Alltag davon abhält – z. B. permanente Ablenkung durch Meetings oder dein ständiges „Ich fang gleich an“.

Warum funktioniert das?

Im Gegensatz zum reinen Wunschdenken aktiviert mentales Kontrastieren eine realistische, lösungsorientierte Haltung. Die Methode bringt das Gehirn in einen Zustand, in dem Wunsch und Realität aufeinanderprallen – was nach Kollision klingt, sorgt aber tatsächlich für Handlungsenergie.

Studien zeigen: Menschen, die mental kontrastieren, sind motivierter, setzen sich konkretere Ziele und erreichen diese häufiger – und zwar unabhängig davon, ob es um Gesundheit, Karriere oder persönliche Entwicklung geht (Oettingen, 2014).

Die 4 Schritte des mentalen Kontrastierens

1. Wunsch identifizieren

Der erste Schritt besteht darin, einen bedeutsamen, aber realistisch erreichbaren Wunsch zu formulieren. Wichtig: Es sollte sich um ein Ziel handeln, das dir persönlich wichtig ist – sei es im beruflichen, gesundheitlichen oder sozialen Bereich.

Beispiel: „Ich möchte morgens mit mehr Energie in den Tag starten.“

2. Positives Ergebnis visualisieren (Positive Fantasie)

Nun wird das beste mögliche Ergebnis vorgestellt, das eintritt, wenn sich der Wunsch erfüllt. Dies geschieht möglichst konkret und bildhaft: Wie sieht das aus? Wie fühlt es sich an?

Beispiel: „Ich wäre frischer, ausgeglichener, hätte mehr Konzentration und wäre zufriedener mit meinem Tag.“

Diese Visualisierung stärkt die emotionale Verbindung zum Ziel. Sie erzeugt positive Affekte, was an sich schon motivationsfördernd sein kann – allerdings nur kurzfristig, wenn sie alleine steht.

3. Mentales Kontrastieren: Hindernisse realistisch benennen

Jetzt kommt der entscheidende Schritt: Du konfrontierst dich mit der Realität, indem du dir innere Hindernisse (z. B. Gewohnheiten, Emotionen, Ablenkungen) und äußere Barrieren (z. B. Zeitmangel, Umgebungsfaktoren) vor Augen führst, die in dir selbst begründet sind und dich vom Ziel abhalten könnten.

Beispiel: „Ich bleibe morgens lange im Bett liegen, weil ich spät ins Bett gehe und abends zu lange am Handy bin.“

Diese Konfrontation aktiviert eine kognitive Dissonanz zwischen Wunsch und Realität – und genau das erzeugt die nötige Handlungsenergie.

4. Planung mit Implementation Intentions (WOOP-Methode)

Hier kommt die von Peter Gollwitzer erforschte Technik der Implementation Intentions ins Spiel. Die Idee ist: Du entwickelst konkrete „Wenn-dann“-Pläne, die dein Verhalten in kritischen Momenten steuern.

WOOP steht für:

  • Wish (Wunsch)
  • Outcome (positives Ergebnis)
  • Obstacle (Hindernis)
  • Plan (Wenn-dann-Strategie)

Beispiel:

  • Wunsch: „Ich möchte morgens fitter sein.“
  • Outcome: „Ich fühle mich energiegeladen.“
  • Obstacle: „Ich gehe abends zu spät ins Bett wegen Social Media.“
  • Plan: „Wenn ich abends ans Handy greifen will, dann lege ich es ins Nebenzimmer.“

Diese Pläne fördern automatisches, situationsspezifisches Verhalten, das sich empirisch als besonders wirkungsvoll erwiesen hat.

Warum das besonders im Arbeitskontext sinnvoll ist

In der heutigen Arbeitswelt sind wir ständig mit Zielen, Erwartungen und Zeitdruck konfrontiert. Mentales Kontrastieren hilft, selbstbestimmt zu entscheiden, welche Ziele realistisch und relevant sind – und wie man sie systematisch angeht. Es fördert Selbstreflexion, Motivationsmanagement und Resilienz – alles Fähigkeiten, die im Arbeitsalltag Gold wert sind.

Fazit: Zwischen Vision und Realität liegt der Erfolg

Wünsche sind wichtig. Aber erst wenn wir die Realität einbeziehen, wird aus einem Wunsch ein echtes Ziel. Mentales Kontrastieren bringt dich aus der Traumwelt zurück auf den Boden – aber nicht, um dich zu entmutigen, sondern um dir zu zeigen, wie du den Weg wirklich gehen kannst.

Also: Wunsch, Realität, Hindernis, Plan – das ist kein Motivationsposter, sondern eine smarte Strategie, um Ziele nicht nur zu haben, sondern auch zu erreichen.


Quellen (APA):

  • Oettingen, G. (2014). Rethinking positive thinking: Inside the new science of motivation. New York: Current.
  • Oettingen, G., & Gollwitzer, P. M. (2010). Strategies of setting and implementing goals: Mental contrasting and implementation intentions. In J. E. Maddux & J. P. Tangney (Eds.), Social psychological foundations of clinical psychology (pp. 114–135). New York: Guilford Press.
  • Gollwitzer, P. M. (1999). Implementation intentions: Strong effects of simple plans. American Psychologist, 54(7), 493–503.